Radikalisierung im digitalen Zeitalter: Wie Jugendliche geschützt werden können
Hakan Çelik vom „Violence Prevention Network“ (VPN) spricht über die aktuellen Herausforderungen der Radikalisierung in Deutschland. Seit 2017 hat das VPN eine Außenstelle in Offenbach, die Teil der Beratungsstelle Hessen ist. In dieser Funktion bietet das Netzwerk spezialisierte Beratung zur Prävention und Deradikalisierung im Bereich religiös motivierten Extremismus an. Dabei wird der digitale Raum, insbesondere soziale Netzwerke wie TikTok, als ein neuer „Hotspot“ für Radikalisierung identifiziert.
Die Klienten des VPN werden immer jünger. Es wird derzeit untersucht, inwiefern der Online-Konsum in sozialen Medien zu Offline-Aktivitäten führt. Besonders auffällig ist, dass Radikalisierung häufig Menschen betrifft, die vorher nicht religiös waren, sodass beispielsweise Konvertiten besonders verletzlich sind. Eine wichtige präventive Maßnahme ist die Vermittlung von Recherche- und Medienkompetenz in Schulen, um Jugendliche zu sensibilisieren.
Präventionsansätze und Herausforderungen
Laut den Erkenntnissen des VPN sind Menschen mit einem gefestigten Glauben weniger anfällig für Radikalisierung. Soziale Probleme sowie das Fehlen stabiler Familienverhältnisse begünstigen die Anfälligkeit für extremistische Ideologien. Der Zugang zu betroffenen Jugendlichen erfolgt idealerweise über Vertrauenspersonen wie Lehrer oder Eltern, was die Grundlage für eine effektive Prävention bildet.
Die Arbeit des VPN beginnt nicht mit der religiösen Argumentation, sondern analysiert zuerst die Argumentation der betroffenen Person. Ein prägnantes Beispiel beschreibt ein Mädchen, das sich nach dem Verlust ihres Vaters radikalisiert hatte. Durch frühzeitige Intervention konnte in diesem Fall ein positiver Wandel erreicht werden. Dies zeigt, dass eine Rückkehr in die Gesellschaft möglich ist und dass Zuhören sowie eine empathische Ansprache entscheidend sind.
Präventionsmaßnahmen zeigen häufig erst langfristig Erfolge. Frühzeitige Interventionen sind daher von großer Bedeutung. Im Rhein-Main-Gebiet galt das Jahr 2017 als „Hotspot“ für islamistischen Extremismus, da rund 140 Islamisten aus dieser Region nach Syrien und in den Irak reisten. Dieser Zustand wird auch durch die Verkehrsanbindung und die Nähe zum Frankfurter Flughafen begünstigt.
Phänomenübergreifende Ansätze in der Präventionsarbeit
Die Gespräche über Radikalisierung und Prävention sind nicht nur auf den islamistischen Extremismus beschränkt. Laut einem Bericht der bpb ist es zentral, Radikalisierung in mehreren Phänomenbereichen gemeinsam zu adressieren, um Stigmatisierung zu vermeiden. Forschungsprojekte wie MAPEX bieten daher eine interaktive Übersicht über Präventions- und Distanzierungsprojekte zur islamistischen Radikalisierung.
Phänomenübergreifende Ansätze sind in der Präventionsarbeit zunehmend verbreitet. Im Jahr 2021 adressierten bereits 25 % der Angebote mehrere Phänomenbereiche gleichzeitig. Methoden wie Workshops, Peer-Ansätze und interkulturelles Lernen sind gängige Maßnahmen. Herausforderungen bleiben jedoch, insbesondere die Erreichbarkeit der Zielgruppen durch neue Medien.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Fachkräfte in der Präventionsarbeit durch Fortbildungsangebote sensibilisiert werden. Ziel dieser Ausbildung ist es, die Jugendlichen ernst zu nehmen und ihnen eine Plattform für den Austausch zu bieten.
Insgesamt verdeutlichen die aktuellen Erkenntnisse zur Radikalisierung, dass umfassende und nachhaltige Strategien erforderlich sind, um extremistischen Tendenzen frühzeitig entgegenzuwirken. Der Aufruf zur frühzeitigen Intervention und zur Förderung von kritischer Medienkompetenz könnte entscheidend sein, um die Jugend vor einer Radikalisierung zu schützen.
Die „Lies!“-Kampagne von 2011, die kostenlose Koranübersetzungen verteilte, hatte ideologische Hintergründe und unterstreicht die Komplexität der Herausforderungen in der Präventionsarbeit. Angesichts der dynamischen Entwicklung der Radikalisierungsphänomene bleibt die Arbeit des VPN und ähnlicher Organisationen unerlässlich.
Details | |
---|---|
Quellen |