Erinnerungen, die der Chat-Bot lebendig macht: Das Maifestspiele-Highlight!
Die Wiesbadener Maifestspiele präsentieren mit „Futur4“ ein eindrucksvolles Projekt des renommierten Kollektivs Rimini Protokoll. Die Premiere fand am 3. Mai 2025 statt und thematisierte den Dialog zwischen der 68-jährigen Ursula Gärtner und einem einzigartigen Chat-Bot, der aus ihren persönlichen Erinnerungen gespeist wird. Mit der Unterstützung der Computerlinguistin Xenia Klinge bietet die Aufführung einen faszinierenden Einblick in Gärtners Leben, das stark von ihrer Herkunft aus Siebenbürgen geprägt ist.
Gärtner selbst erzählt von den prägnanten Momenten ihrer Kindheit, dem Traumata des frühen Verlustes ihres Vaters sowie den Enttäuschungen, die sie bei ihrer Ankunft in Deutschland erlebte. In einem intensiven Austausch reflektiert sie über den Ausreisewunsch ihrer Familie aus Rumänien und den Freikauf der Rumäniendeutschen durch die Bundesrepublik zwischen 1967 und 1989. Diese Geschichten sind nicht nur persönliche Erinnerungen, sondern auch Teil eines größeren politischen und sozialen Kontextes, der die Erwartungen an den Westen zur Sprache bringt.
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz
Das Projekt verfolgt eine innovative Annäherung an das Thema Erinnern. Der Chat-Bot fungiert als eine Art digitaler Spiegel, der die Fähigkeit der Künstlichen Intelligenz hinterfragt, persönliche Erfahrungen adäquat zu speichern. Gärtner fordert das Publikum aktiv zur Teilnahme an diesem Dialogprozess auf und inszeniert damit eine spannende Diskussion über die Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Der sogenannte „Ursula_Bot“ wird dabei zum zentralen Element des Geschehens und regt die Zuschauer an, über ihre eigenen Erinnerungen und deren digitale Übersetzung nachzudenken.
Das Bühnenbild, ein mehrstufiges Podest, bietet variable Leinwände, die mit Fotos und Videos aus Gärtners Familiengeschichte bestückt sind. Technische Elemente wie eine Computersystemleiste veranschaulichen im Hintergrund Internet-Koordinaten, Daten und Zeiten, was die Verknüpfung von persönlicher Geschichte und technologischen Möglichkeiten unterstreicht.
Symbolik und Publikumserfahrung
Die Wahl der Zahl 7 im gesamten Konzept spielt eine bedeutende Rolle; sie verweist auf verschiedene Interpretationen, wie etwa den „siebten Sinn“ oder den „siebten Himmel“. Diese Symbolik verleiht der Aufführung zusätzlich eine tiefere Dimension und fordert die Zuschauer auf, sich mit den vielschichtigen Themen des Erinnerns und der Identität auseinanderzusetzen.
Gärtners ruhige und entspannte Präsentation wurde vom Publikum mit spürbarem Applaus honoriert. Dies verdeutlicht, wie gut die Verbindung zwischen der performerischen Darstellung und dem technologischen Element des Chat-Bots gelingen kann. Die Aufführung hat nicht nur die Erinnerungen einer einzelnen Person zum Leben erweckt, sondern regt auch einen gesamtgesellschaftlichen Dialog über das Thema Erinnern und die Rolle von Künstlicher Intelligenz an.
Johannes Birgfeld thematisiert in seinem Handbuch „Künstliche Intelligenz und die Künste“ (2024) solche innovativen Ansätze, die durch die Verschmelzung von Kunst und Technologie entstehen und damit neue Wege des Erzählens und Erinnerns eröffnen. Rimini Protokoll gelingt mit „Futur4“ eine spannende Auseinandersetzung mit diesen Herausforderungen in der heutigen Zeit.
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